Regulierung
Zentrale Bausteine
Zentrale Bausteine der Transparenzvorschriften bei Sustainable Finance
Die Regulierung zu Sustainable Finance mündet bis auf Weiteres nicht in Transparenzvorschriften zu ESG-Informationen „aus einem Guss“. Die EU-Gesetzgeber haben allerdings erklärt, zukünftig ein einheitliches ESG Disclosure Framework schaffen zu wollen.
Sustainable Finance umfasst zahlreiche parallele Gesetzgebungsverfahren auf Level-1- und Level-2-Ebene
Quelle: TSI, eigene Darstellung
Die Gesetzgebung zur Taxonomie-Verordnung (Level-1-Ebene) ist am weitesten fortgeschritten, wobei die dazugehörige Gesetzgebung auf Level-2-Ebene für den „Environmental“-Bereich nahezu vollständig entwickelt ist. Eine Ausnahme stellt hierbei derzeit (Stand Oktober 2023) die Delegierte Verordnung (DelV) zur Umwelttaxonomie dar, die nur als Entwurf (schraffierter Bereich in Grafik 2) vorliegt. Weitgehend offen ist die Gesetzgebung auf Level-2-Ebene zum „Social“- und „Governance“-Bereich.
Die Taxonomie-Verordnung spezifiziert, worüber zu berichten ist; dazugehörige DelV legen fest, was und in welcher Form zu berichten ist. Wer zu berichten hat, regeln Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aller Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft in Form der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die auf die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) abstellt.
Für die Finanzwirtschaft gelten zudem weitere Regulierungen auf Level-1-Ebene. Die Verbriefungs-Verordnung (Securitisation Regulation, SECR) umfasst Regelungen im Sinne von Sustainable Finance. Daneben gelten auf Level-1-Ebene bereits auch die klimabezogene Referenzwerte-Verordnung (Benchmark Regulation, BMR) sowie die Offenlegungs-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR); die EU-Gesetzgeber haben den European Green Bond Standard (EuGBS) im Oktober 2023 verabschiedet. Die klimabezogene BMR legt fest, wie Transparenz und produktübergreifende Vergleichbarkeit bei ausgewählten Zielen im „Environmental“-Bereich zu gewährleisten ist. Die SFDR hat den Fokus auf Nachhaltigkeit bei Anlageprodukten von den entsprechenden Anbietern und Käufern. Der EuGBS nimmt darüber hinaus die Emission nachhaltigkeitsorientierter Wertpapiere einschließlich Verbriefungen in den Blick.
Bei der Gesetzgebung für die Finanzwirtschaft ist auf Level-2-Ebene bisher vergleichsweise wenig und dies nur im „Environmental“-Bereich geschehen. Die Regelungen bei der DelV zur SFDR, dem Regulatory Technical Standards (RTS) zur SECR sowie dem EuGBS (schraffierter Bereich siehe Grafik oben) scheinen wenig aufeinander abgestimmt. Daher kann aktuell kaum von einem einheitlichen ESG Disclosure Framework gesprochen werden. Gleichwohl haben allen Regelungen einen Bezug zur zentralen Taxonomie-Verordnung.
Taxonomie-Verordnung
Die Transparenzvorschriften der im Wesentlichen seit Januar 2022 rechtswirksamen Taxonomie-Verordnung haben eine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit zum Gegenstand. Damit ist die Taxonomie-Verordnung der zentrale Baustein zur Gewährleistung von Markttransparenz.
Meilensteine in der europäischen Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen
Quelle: TSI, eigene Darstellung
Die Taxonomie-Verordnung ist die Richtschnur für Maßnahmen zur Festlegung von Anforderungen an die Real- und Finanzwirtschaft. Sie schaut allerdings durch Unternehmen, Anlageprodukte oder Wertpapiere hindurch und klassifiziert einzelne „Wirtschaftstätigkeiten“. Auf diese Weise legt sie fest, ob eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist oder nicht. Damit stellt sie eine Grundlage für eine effektivere Lenkung von Finanz- und Investitionsströmen in eine nachhaltige Wirtschaft dar.
Der Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung für die Realwirtschaft beschränkt sich vorerst auf Wirtschaftstätigkeiten ausgewählter Sektoren. Dazu zählen derzeit die Sektoren mit der höchsten Umweltrelevanz beziehungsweise den meisten Treibhausgas-Emissionen in der EU. Auf Basis der gesetzlichen Vorgabe sind die Wirtschaftstätigkeiten dieser Sektoren „Taxonomie-relevant“ (Taxonomy Eligible).
Mithilfe vorgegebener technischer Bewertungskriterien (Technical Screen Criteria, TSC) müssen die Unternehmen bis auf Weiteres ermitteln, ob und inwieweit eine Wirtschaftstätigkeit zu den folgenden Nachhaltigkeitszielen im „Environmental“-Bereich beiträgt:
- Klimaschutz (Mitigation)
- Anpassung an den Klimawandel (Adaptation)
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasserressourcen (Water)
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy)
- Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (Pollution)
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme (Biodiversity)
Die Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens ist „Taxonomie-konform“ (Taxonomy Aligned),
wenn sie einen
- wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Nachhaltigkeitsziele im „Environmental“-Bereich leistet,
- gleichzeitig keine signifikante Beeinträchtigung (Do No Significant Harm, DNSH) eines der anderen Nachhaltigkeitsziele im „Environmental“-Bereich verursacht und dabei
- sozialen Mindeststandards genügt.
Im Jahr 2022 mussten Unternehmen mit im Regelfall mehr als 500 Vollzeitstellen vorerst nur über Taxonomie-relevante Wirtschaftstätigkeiten rückwirkend für das abgelaufene Geschäftsjahr berichten. Seit Beginn des Jahres 2023 müssen die betroffenen Unternehmen im Rahmen ihrer nicht-finanziellen Erklärung angeben, in welchem Ausmaß Taxonomie-relevante Wirtschaftstätigkeiten auch Taxonomie-konform sind.
Zu diesem Zweck sind die Anteile der
- Umsatzerlöse, (Umsatzerlöse),
- Investitionsausgaben (Capital Expenditures, CapEx) und der
- operativen Betriebsausgaben, (Operational Expenditures, OpEx)
zu ermitteln, die mit einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit verbunden sind.
Aktuell (Oktober 2023) beschränken sich die Angaben zu Taxonomie-konformen Wirtschaftstätigkeiten auf die klimabezogenen Ziele „Mitigation“ und „Adaptation“. Für eine einheitliche Methodik zur Ermittlung von klimabezogenen ESG-Informationen sorgt die parallel geschaffene Delegierte Verordnung zur klimabezogenen Berichterstattung vom Juli 2021 ergänzt um die Delegierte Verordnung in Bezug auf Wirtschaftstätigkeiten in bestimmten Energiesektoren (gemeint sind Atomenergie und Gas) vom März 2022. Beide Verordnungen sind seit Januar 2022 beziehungsweise seit Januar 2023 rechtswirksam.
Mit dem Entwurf der Delegierten Verordnung zur Umwelttaxonomie vom Juni 2023, welche voraussichtlich 2024 in Kraft treten wird, liegen TSC für weitere Taxonomie-relevante Wirtschaftstätigkeiten. Betroffene Unternehmen müssen auf dieser Basis Taxonomie-konformen Wirtschaftstätigkeiten zu den weiteren vier Zielen im „Environmental“-Bereich („Water“, „Circular Economy“, „Pollution“ und „Biodiversity“) berichten und offenlegen.
Die Taxonomie-Verordnung ist ein lebendes Dokument. Bisher deckt sie nur einen Teil aller Wirtschaftstätigkeiten ab. Der Gesetzgeber unterzieht die Taxonomie mindestens alle drei Jahre einer Revision; für bestehende Regelungen gilt ein Bestandsschutz von fünf Jahren. Dadurch wird sichergestellt, dass im Laufe der Zeit neue Sektoren und Tätigkeiten in der Gesetzgebung aufgenommen werden können. Die Taxonomie-Verordnung legt nur fest, worüber und was zu berichten ist – sie spezifiziert nicht die Zielgruppe der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)
Die seit Januar 2023 rechtsgültige Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) soll die Voraussetzungen für eine verlässliche und vergleichbare Datenlage zu ESG-Informationen der Unternehmen schaffen. Dafür legte die Europäische Kommission im April 2021 einen ersten Entwurf vor. Die CSRD nimmt direkt Bezug auf die Taxonomie-Verordnung und spezifiziert Zielgruppen der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie setzt auf die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) von 2014 auf und erweitert deren Anwendungsbereich.
Der europäische Gesetzgeber will mit der CSRD perspektivisch die nicht-finanzielle bzw. Nachhaltigkeitsberichterstattung mit der finanziellen Berichterstattung auf eine Stufe stellen. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) ist beauftragt, European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu entwickeln. Die zukünftigen europäischen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen kompatibel mit den parallel hierzu entwickelnden Standards des International Sustainability Standards Board (ISSB) sein.